Definition
"Die Kirchweih bzw. das Kirchweihfest, schweizerhochdeutsch Kilbi, wird seit dem Mittelalter als religiöses Fest anlässlich der Kirchweihe eines christlichen Kirchengebäudes gefeiert. Sie hat den Rang eines Hochfests. Heute spielt der religiöse Kontext meist eine untergeordnete Rolle." (Wikipedia)
Geschichte
Die Kerwe in OberWünschSteinbach war nicht immer so wie man sie heute kennt. In der Geschichte machte dieses Fest zahlreiche Abwandlungen und Veränderungen durch, um letztendlich zu dem zu werden, was sie heute ist: unsere OberWünschSteinbacher Kerwe.
Zu den gravierendsten Veränderungen zählen die Tatsache, dass die Kerwefeste der drei Ortschaften Oberflockenbach, Wünschmichelbach und Steinklingen getrennt voneinander stattfanden und gefeiert wurden, und das zwischenzeitliche Nichtstattfinden der Kerwe.
1599: Es ist nicht sicher, ob unser Kichweihfest mit der Kirche in Heiligkreuz zusammenhängt. Erstmals erwähnt wurde die Kirchweih im eigentlichen Sinne (als Erinnerung an die Weihe der Kirche) als Gottesdienst zu Martini dieses Jahres.
1857: Dass das Fest tatsächlich schon sehr alt ist, zeigt auch ein Schreiben des Großherzoglichen Bezirksamtes Weinheim:
Die Ortsvorstände haben sich darüber zu äußern, ob die Gemeinde das Kirchweihfest wieder in der früheren Weise und an welchen Tagen abhalten will, wobei bemerkt wird, dass die Abhaltung dieses Festes nur auf einen Sonntag und den darauffolgenden Montage gestattet werden kann.
Daraus lässt sich ableiten, dass es das Fest der Kirchweih schon vorher gab und im Jahre 1857 lediglich von der Großherzoglichen Kreisregierung wieder genehmigt wurde:
Die Abhaltung der Kirchweih in Oberflockenbach und Rippenweier am dritten Sonntag im Oktober wurde genehmigt, wovon der Gemeinderat Nachricht erhält.
1905 wurden die Termine der Kirchweihfeste der umliegenden Ortschaften festgelegt:
Oberflockenbach, Rippenweier, Ursenbach, Ritschweier, Hohensachsen und Heddesheim alle am 3. Sonntag im Oktober wie bisher ihre Kirchweih.
1919: Rippenweier änderte den Termin seines Kirchweihfestes nach dem 1. Weltkrieg auf den 2. Sonntag im Mai, Ritschweier und Ursenbach verkleinerten und beendeten letztendlich das Fest in ihren Ortschaften.
1939 wurde das Fest noch wie knapp 100 Jahre vorher gefeiert:
Jede Wirtschaft hatte ihre Kerweborschd, junge Burschen, natürlich auch Mädchen, die sich eine oder zwei Wochen vorher abends in ihrer Wirtschaft einfanden und den Tanzsaal zum Kirchweihfest schmückten.
Am Sonntagmorgen ging der Großteil der Bevölkerung in die Kirche (dies war immerhin die ursprüngliche Art des Feierns / Erinnerns der Kirchweihe), mittags wurde der Kerwebraten aufgetischt und nachmittags kam zu Kaffee und Kerwekuchen die Verwandschaft.
Für die Kinder kam der Eismann und aus Altenbach schon damals ein Gutselstand und ab und zu ein Karussell (das Kerwegeld, welches man von Oma / Opa und Eltern bekommt, gab es schon damals; Außerdem verdiente man sich als Bauernhelfer ein paar Pfennig zusammen.). Zusätzlich war es üblich, zur Kerwe ein neues Kleidungsstück bekam (das Kerwekleid), die Borschde bekamen neue Schuhe oder Hosen.
1945: Durch Glück hat die Kerwe den 2. Weltkrieg „überlebt“, wenn auch nur in minimalistischster Form. Danach wurde die Tradition mit Kerwemädchen und Kerweborschd „wiederbelebt“, jedoch wurden das Fest und der Kerwetanz immer mehr auf den Samstag verlagert (was schon eine nicht geringfügige Änderung zum ursprünglichen Fest der Kirchweihe war).
Der Ablauf der Kerwe hat sich bis heute weiterhin stark verändert. Das eigentliche Fest der Kirchweihe rückte immer weiter in den Hintergrund, während das Feiern und das gesellschaftliche Beisammensein immer mehr an Bedeutung gewannen. So beginnt das Fest der Feste seit den 1970er Jahren (nach eher zögerlichen Anfängen) schon am Freitagabend, wobei es damals noch durch den Ortschaftsrat und deren Helfer eröffnet wurde.
Der Kerweparre startete das Fest, indem er ein paar kurze Worte verkündete, woraufhin der Ortsvorsteher den Kerwekuchen anschnitt. Damals fing die Kerwejugend erst später, schon mitten im Feiern, an, die Kerwe zu suchen und auszugraben (der Inhalt der Kerwetruhe war schon damals eine Flasche Wein des Vorjahres, die, wie heute noch, auf der Grünfläche hinter dem (alten) Feuerwehrhaus eingegraben war).
In den Jahren 1977 – 1979 gab es keine Kerwe, da sich keiner fand, der sich dazu bereit erklärte, sich um die Organisation und die Ausführung (Parre- und Mundschenkamt konnten nicht besetzt werden) des Festes zu kümmern.
Anfang der 1980er war es dem damaligen Ortsvorsteher Werner Hurst und der Gemeindemitarbeiterin Uta Herzog zu verdanken, dass die Kerwe wieder nach Oberflockenbach kam. Nach endlosen Telefonaten und Abmachungen schafften sie es schließlich, wieder Fahrgeschäfte auf den Kerweplatz zu bringen. Ohne diese beiden gäbe es die OberWünschSteinbacher Kerwe - vielleicht auch noch heute - nicht mehr.
1984 beschloss der Ortschaftsrat, aufgrund der schlechten (kalten) Wetterverhältnisse am 3. Sonntag im Oktober, die Kerwe, wie sie inzwischen genannt wurde, um einen Monat, also auf den 3. Sonntag im September, vorzuverlegen.
Die Ironie dieser Aktion lag darin, dass im ersten Jahr der Verlegung am 3. Wochenende im September scheußliches Wetter herrschte, wohingegen der 3. Sonntag im Oktober kein schöneres hätte haben können. In den 1980er Jahren wurde die Organisation und Ausführung des Kerwefestes schließlich in die Hände der Kerwejugend gelegt, wodurch es immer weiter wuchs und auch über die Grenzen OberWünschSteinbachs (eine Zusammensetzung einzelner Silben aus den drei Ortschaften der Gemeinde: Oberflockenbach, Steinklingen, Wünschmichelbach) bekannt.
Die Örtlichkeiten der Kerwe wurden erweitert und vergrößert und so „entstand“ das Kerwedorf.
Seitdem findet die Kerwe so statt, wie man sie heute kennt:
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Am Freitagabend wird der Kerwekuchen von Kerweparre und Ortsvorsteher angeschnitten, woraufhin die Kerwe nach einer kurzen Rede ausgegraben wird. Anschließend begeben sich Kerwejugend und der Rest der Bevölkerung zum Feiern ins Kerwedorf.
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Am Samstagmittag findet das alljährliche Kerweevent statt (zum Beispiel das legendäre Seifenkistenrennen, Human-Table-Soccer, Ortsrallye, Autoziehen, etc.), gegen Abend findet man im Kerwedorf wieder zusammen und feiert einen (feuchtfröhlichen) Abend, der nicht selten bis spät in die Nacht geht. Allerdings sollte man es nicht übertreiben, da damit erst die Hälfte des Festes erreicht ist.
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Am Sonntagmittag findet der Kerweumzug statt, an welchen sich die Kerwepredigt im Kerwedorf anschließt.
Danach wird wieder ausgiebig gefeiert, um schließlich gegen Abend in die Club Lounge einzukehren und sich Karaoke, Drinks und guter Stimmung hinzugeben. -
Am Montagmorgen trifft man sich in der Gaststätte „Am Michelbach“ in Wünschmichelbach zum traditionellen Frühschoppen, um von dort aus über Steinklingen nach Oberflockenbach zu laufen. Während dieser Kerwewanderung kehrt man in den Wirtschaften OberWünschSteinbachs ein, um zu singen, trinken und den Geschichten aus der Kerwepredigt zu lauschen. Nach der Wanderung findet am (alten) Feuerwehrhaus die „Borschdeprüfung“ statt. Im Anschluss daran wird die Kerwe, nach einer Predigt vom Kerweparre, von diesem, seinem Mundschenk und seinen Kerwegeistern beerdigt.
Somit kehrt die Normalität wieder in das kleine Dorf im Odenwald ein, um ein Jahr später wieder für vier Tage vertrieben zu werden.
Kerwedorf
Das Kerwedorf (siehe Übersichtskarte) ist der Hauptschauplatz der OberWünschSteinbacher Kerwe. Hier finden sich Fahrgeschäfte für Groß und Klein, Festzelte, Imbissstände und Bars. Zu den größten Einrichtungen gehören das Zelt am alten Feuerwehrhaus, das MSC-Zelt und das Festzelt auf dem großen Hartplatz. Im Kerwedorf spielen sich fast alle Kerweprogrammpunkte (siehe Programm) ab, die wichtigsten sind die Ausgrabung der Kerwe am Freitagabend, die Kerwepredigt am Sonntagmittag und die Bestattung der Kerwe am Montagabend. Die wenigen Programmpunkte, die nicht hier stattfinden, sind die Kerwewanderung am Montag und das eventuell ausgelagerte Kerweevent am Samstagmittag, da dieses manchmal zu groß ist, um es im Kerwedorf unterzubringen.
Kerwepredigt
In der so genannten Kerwepredigt stehen Geschichten, die im Laufe des letzten Jahres passiert sind. Dies sind meist amüsante und komische Vorfälle, die zur Belustigung der Zuhörer beitragen. Für die Predigt gibt es grundsätzlich nur zwei Regeln:
- Kerwegesetz §1 Absatz 1 bis Ende: Sämtliche Geschichten und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, speziell die in dieser Gegend wohnen, sind rein zufällig und keine Absicht.
- Es dürfen nur Vorfälle aufgenommen werden, die außerhalb der Kerwezeit passierten.
Kerweumzug
Jedes Jahr veranstaltet die OberWünschSteinbacher Kerwe einen Kerweumzug, bei dem sowohl Fuß- als auch Fahrgruppen teilnehmen. Oftmals bezieht sich das Motto der Gruppe auf eine Geschichte aus der Kerwepredigt, die im Anschluss an den Umzug vom Kerweparre im Kerwedorf verlesen wird. Die Route für diesen Kerweumzug findet man hier.
Borschdeprüfung
Hierbei handelt es sich um eine Prüfung, ob der teilnehmende (Kerwe)-Borschd würdig ist, diesen "Titel" zu tragen. Sollte er die Prüfung bestehen, so hat er sich damit das Privileg verdient, als Kerweparre oder Mundschenk kandidieren zu dürfen.
Die Prüfung:
Der Teilnehmer muss in 15 Minuten zwei Zigarillos geraucht (diese dürfen während der gesamten Zeit nicht ausgehen), eine rohe Zwiebel und zwei rohe Kartoffeln gegessen und zwei Schnäpse und (mindestens, eine Obergrenze gibt es nicht) einen Liter Bier getrunken haben (früher war es eine Zigarre anstelle der Zigarillos). Des Weiteren darf er sich innerhalb dieser Zeit nicht übergeben.
2009 entwickelte sich in der Kerwejugend der "Inner Circle", dem nur die aktuell Hauptverantwortlichen der Kerweorganisation angehören. Momentan gehören dieser Gruppe sieben Personen an.
2011 schließlich entstanden (ehrenhalber) die "Kerweultras". Diese Gruppe besteht aus neun Mitgliedern, die allesamt eines gemeinsam haben: Sie waren die (einzigen), die sich in den vergangenen Jahren besonders an der Organisation der Kerwe beteiligten und diese am Laufen hielten. Der "Inner Circle" ist Bestandteil der "Kerweultras" (die fünf Angehörigen sind ebenfalls Ultras).